Was hier so lustig nach einem Brief ans Dr. Sommer – Team klingt, soll eigentlich ein kleiner Einblick in meine Gedankenwelt sein. Mein erstes Mal Blut trinken liegt noch vor mir, entsprechend habe ich Vorstellungen aber auch Sorgen, die sicher der ein oder andere nachvollziehen kann.
Bluttests – Sicherheit geht vor
Meine ersten Gedanken gehen in Richtung Sicherheit, hier speziell bzgl. Gesundheit.
Corona hat auch die Vampyrcommunity getroffen. Und so tun sich in sozialen Gruppen Probleme auf, mit denen man so als Durchschnittsbürger nie rechnen würde – oder hat jemand schon von den armen V`s gelesen, die nun nicht mehr so einfach an eine Blutmahlzeit kommen?
Da wir aber nunmal dieses recht spezielle Bedürfnis verspüren, das zugleich jedoch auch das höchste Infektionspotenzial mit sich bringt, wird hier generell mehr Vorsicht verlangt – sowohl von Donner als auch Vampyr. V`s werden nämlich sehr wohl krank und können sterben, uns unterscheidet ja nunmal v.a. die Lust auf Blut von anderen, nicht mehr und nicht weniger. Ohne Bluttest läuft also erstmal nichts. Dieser stellt in der Eroberung eines Donorherzens zwar eine weitere Hürde dar, sichert aber das Wohlergehen des Vampyrs. Der Test bringt natürlich auch dem Donor ein gewisses Maß an Sicherheit. Jeder sollte ab und an darüber nachdenken sich auf diverse Krankheiten testen zu lassen. Hierfür muss man noch nicht einmal zum Hausarzt, es gibt Anlaufstellen, bei denen ihr das anonym vornehmen lassen könnt. Die Ergebnisse tauchen entsprechend nicht in eurer Krankenakte auf. 😉
Die Zeit bis zum Test oder auch bis zu den Ergebnissen gibt den Trinkpartnern darüber hinaus aber auch noch einmal Zeit über alles nachzudenken.
In Zeiten von Corona ist es abgesehen davon aber auch sicher sinnvoll sich die Warnapp herunterzuladen und sich an die Bestimmungen zu halten und Verantwortung für einander zu übernehmen. Vertrauen kommt dann von allein – niemand von uns möchte gern allein sein, wir alle wollen geliebt werden und sei es, weil oder obwohl wir Blut trinken möchten.
Ängste
Weitere Gedanken kreisen um allerhand Ängst.
Ich erlebe bei jeder inneren Vorstellung zu meinem ersten Mal ein schillerndes emotionales Karussell.
Von Angst vor Ablehnung über die Vorfreude auf die Entspannung danach bis hin zur besonderen Qualität einer Beziehung zu einem Donor ist alles dabei. Ich neige allerdings auch dazu die Dinge überzuanalysieren – ein Grund für diesen Blog übrigens. Niederschreiben hilft mir meine Gedanken zu ordnen.
Im Grunde unterscheidet sich dieses erste Mal aber nicht von allen anderen ersten Male, die man so im Leben erfährt.
Eine neue Erfahrung will gemacht werden, dafür braucht es in diesem Fall einen Partner, der bereit ist als Erfüllungsgehilfe zu dienen, um letztlich einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Selbst zu gehen.
Meiner Angst vor Infektion kann ich Rechnung tragen durch Sicherheitsvorkehrungen wie Tests und eigene Umsicht und auch durch ein stabiles Vertrauensverhältnis zu einem Donor, der dieses selbst mit ähnlichem Aufwand würdigt. Bei der Angst vor Ablehnung, sieht es da anders aus.
Wie erklärt man einem anderen Menschen, dass man gerne sein Blut trinken würde? Die Antwort gebe ich mir mal selbst: Mit viel Vertrauen, Ruhe und Zeit.. Ich habe Partner schon für allerhand Dinge gefunden, warum also sollte sich nicht auch hier genau die richtige Person finden lassen? Eine, die ähnliche Interessen hat, die mir eine Erfahrung schenken möchte oder schlicht selbst einen gewissen Vorteil daraus zieht.
Dann bleibt noch die Angst davor ungewollt geoutet zu werden. Ich wurde in anderer Wiese schon geoutet und das war nicht schön. Manchmal ließ es sich nicht vermeiden, in anderen Fällen hat mir jemand eine Entscheidung abgenommen, die nicht die ihre war. Doch auch damit konnte ich letztlich leben – Ich brauche also auch in dieser Angelegenheit ein Standing. Ich muss darauf vertrauen, dass das niemand tut oder dass wenn es doch passiert, ich eben gut damit umgehen kann.Ich kann für mich selbst annehmen, dass dieser Teil zu mir gehört und ich deswegen nicht weniger wert bin. Ganz im Gegenteil, es braucht Mut und Selbsteinsicht, um ein solches gesellschaftlicher Tabuthema zu seinem eigenen zu machen ohne dabei einen Höhenflug oder einen Absturz zu erleiden.
Eine letze Angst beschäftigt sich aber auch mit der möglichen Feststellung, dass es doch „nicht mein Fall“ ist. Ich beschäftige mich intensiv damit, versuche Erwartungen zu beherrschen und meine Gefühle dazu ernsthaft zu erkunden – und doch kann es natürlich passieren, dass ich da in eine ganz falsche Richtung abgebogen bin. Diese letzte Sorge war zu Beginn sehr viel stärker, mittlerweile bin ich mir sicher, dass die Frage danach nicht so wichtig ist. Sie spielt keine Rolle. Stelle ich fest, ich mag Blut und den Spender und akzeptiere überhaupt jede Konsequenz daraus, dann schön! Und sollte es sich als großer Irrtum erweisen – wen juckt´s? Dann geht es vielleicht an der nächsten Kreuzung in eine neue Richtung.
Erwartung und Realität
Erwartungen zu beherrschen kann einem manche Enttäuschung ersparen. Ein gesunder Umgang mit den eigenen Erwartungen schadet also m.E. nicht. Wer kennt nicht die eine Freundin, die auf den Richtigen wartet? Einer, der bitte aussehen soll wie Brad Pitt und die Freundin mit Bollywoodtänzen bezirzen und sie mit TwilightSex ins Koma vögeln soll.
In solchen Fällen haben Fantasie und Realität praktisch nur noch wenig gemein – spätestens aber, wenn die Freundin merkt, dass der süße Postbote ihr sogar nach seiner Schicht noch ein Päckchen vorbeibringt, wird sie wohl merken, dass es an ihr liegt wen sie zu Mr.Right kürt.
In meinem Fall versuche ich meine Erwartungen relativ niedrig anzusetzen, vermutlich bin ich aber auch schlicht zu besorgt, um mal ins Handeln zu kommen. Daran arbeite ich dann mal noch.. Ich habe Vorstellungen davon, wie ein erste Mal Trinken aussehen könnte und würde mir wünschen, dass es so angenehm wie nur möglich für den Spender und mich wird, aber von dieser Vorstellung zur Umsetzung gilt es noch einige Hürden zu nehmen und Corona ist nur eine davon.
Letztlich aber hoffe ich diese Spannung auflösen zu können, die sich schon eine Weile in mir aufbaut und sich durch Coping zwar besänftigen, aber nicht ausschalten lässt. In den ruhigeren Phasen ist es ein angenehmes Kribbeln, in den unruhigen neige ich dazu zwischen Brainfog und Gedankenrasen hin- und herzupendeln. Vermutlich werde ich in ein paar Jahren darüber schmunzeln, wie viele Gedanken ich mir hierzu gemacht habe… Immerhin sehe ich mich diesem Verlangen nun auch schon eine ganze Weile ausgesetzt und lebe noch.
Vorfreude und Loslassen
Nun bin ich keine 18 mehr, sondern 30 (sehe aber aus wie 25 *haha*) und ganz froh darüber, dass die Dinge genauso gelaufen sind. Ich fühle mich heute schon ganz gut und richtig – ich lerne immer noch dazu, bin mir also meiner Schwächen gewahr, weiß aber auch um meine Stärken. Ich suche nach Balance und Ruhe – und wenn Blut zu konsumieren mich diesem Ziel näher bringt, dann sei’s drum. Mit 19 bin ich recht unsanft im Thema gelandet und habe es von mir gestoßen, nur um es in den vergangenen 10 Jahren phasenweise vom Universum serviert zu bekommen – bis ich nun dazu bereit bin.
Der Moment, in dem ich dann feststellen darf, dass das genau mein Weg ist und dass es keiner weiteren Erklärung dafür bedarf – dass sein darf, was sein will – darauf freu ich mich. Ich werde trinken, wieder und wieder und es wird zu meiner neuen Realität. Eine, die sich nur für mich verändert zu einer größeren umfassenderen, in der ich neuen Menschen begegne und weiß, dass ich nicht alleine bin.